Ich sitze im „Bayrischen Löwen“ und trinke ein kühles Glas Wein. Ein Glas zum Abendessen, nach einer langen Bahnfahrt, es entspannt mich und macht mich heiter.
Am Nebentisch, an langen Bänken eine größere Gruppe junger Männer, auch drei Frauen sind dabei. Alle haben große Humpen Bier vor sich stehen und hörbar sind es nicht ihre ersten Biere des Abends.
Meine subjektive Perspektive: eine große Zahl von Menschen, die die Adoleszenz bereits überschritten haben, trinken viel Alkohol, reichlich Bier, Wein oder Stärkeres.
Sehr viele Menschen neigen dazu sich dem „Bewusst-Sein“ zu entziehen, durch Alkoholkonsum, Drogenkonsum, „sich vor die Glotze hängen“, in Spielen und alternativen Realitäten abzutauchen. Hauptsache nicht mehr denken müssen, nicht mehr bewusst sein.
Warum ist Bewusstsein so unattraktiv?
Neurologisch betrachtet ist bewusst sein anstrengend. Es kostet das Gehirn deutlich mehr Energie, wenn es bewusst denken und handeln soll. Verhalten im Autopilot ist dagegen viel Energie-sparender. Es strengt nicht so an, wenn wir uns nicht unter Kontrolle haben müssen.
Achtsam sein, aufpassen lässt den Adrenalinspiegel steigen. Der ist aber schon von einem stressigen Alltag hoch genug gestiegen – also wegbeamen, das scheint die Lösung zu sein.
Trinken und kiffen, glotzen und surfen. Da muss ich nicht entscheiden, ich werde entschieden. Es passiert mit mir, nicht ich bestimme, was mit mir geschieht, ich lasse es geschehen. Ich relaxe, ich lasse mich gehen, treiben, fallen. Das ist das scheinbar Erholsame.
Komisch nur, dass ich mich nach einem Abend mit längerem Fernsehen so schlecht fühle. So schlecht schlafe. Einen Fernseh-Kater habe. Oder dass wir verlorengehen in der facebook-Kommunikation, in der wir zwar de facto allein, aber gefühlt nicht einsam sind – oder doch? „Eskapismus“ ( to escape engl.: fliehen) nennen die Kommunikationswissenschaftler das, was ausdrückt, dass wir Medien konsumieren, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Um sich selbst zu vergessen.
Und so geben wir uns der Sucht der ständigen Kontrolle der smatfone-news hin. Wir wollen der gefühlten Sorge begegnen nur ja nichts zu verpassen und verpassen so die Gegenwart. Wir beschränken unsere bewusste Wahrnehmung dessen, was um uns herum und in uns geschieht. Wir verpassen Möglichkeiten selbst zu entscheiden und selbstbewusst und lebendig zu sein.
Der zeitgenössische Philosoph Peter Sloterdijk hat es auf den Punkt gebracht: Im 21. Jahrhundert gilt nicht mehr „ich denke, also bin ich“, sondern “Man denkt an mich,also bin ich“.
Wer steuert mich?
Aber welche Folgen hat ein Mangel an Selbst-Bewusstsein für mich, für uns Menschen?
Wollen wir gerne fremdgesteuert sein? Unser Lebensschiff auf Autopilot steuern lassen. Es so machen, wie man es macht. Dem Mainstream folgen, von dem wir nicht wissen, wer diesen steuert?
Ja, die Medien, die steuern den Mainstream – oder doch nicht? Eher doch die Politik – oder vielleicht das Weltkapital, die ominöse ungreifbare Macht des Bösen, der Geldgierigen Finanz-Märkte? Gruselig, gruselig, das alles, gieß mir doch noch einen Wein ein!
Wenn ich nicht selbst entscheide, was ich tue und wem ich wann und wo erlaube mich mit was, mit welchen Informationen zu „ernähren“, dann lade ich dazu ein mich zu manipulieren und zu indoktrinieren. Wenn ich nicht selbst der Kapitän bin, dann ist es jemand anderes. Ich weiß nicht, was Ihnen lieber ist, aber mir ist es lieber ich-Selbst zu sein und selbst zu entscheiden, worauf ich meine Aufmerksamkeit richte und was ich realisieren will.
Deshalb mein Weckruf: be yourself! Lebe selbstbewusst dein ganz besonderes Leben!
© FLM 16.10.2017