Ob Mitarbeiter kooperieren und blockieren, ob Führungskräfte motivieren oder ausbremsen, darüber entscheidet ganz maßgeblich unser Gehirn.Führung ist auch Gehirnsache.
Bei Worten wie “Führung”, “Führer” und “Macht” zucken wir Deutsche innerlich immer noch ein bisschen zusammen, Frauen noch mehr als Männer. Die gleichen Worte im Englischen erscheinen uns weniger verdächtig: “Leadership”, “leader” und “power” fühlen sich irgendwie besser, sportlicher, an.
In der englischen Sprache sind wir leichter bereit, auf die Frage: „What does it take to be a leader?” ins Ersinnen einer brauchbare Antwort zu kommen, in der Deutschen Sprache fragen wir doch lieber: „Was bedeutet Führungskompetenz?“
Noch vor nicht allzu langer Zeit hielt man Führung noch für ein unerklärbares Phänomen, eine Naturbegabung von besonders charismatischen Persönlichkeiten – natürlich männliche. Die beliebteste Antwort von Männern auf die Frage: Welche Eigenschaften braucht eine Führungskraft? ist nach meiner Erfahrung als Kommunikations- und soft- skill-Trainerin: die “Durchsetzungskraft”. Und es gibt in vielen männlichen Köpfen immer noch die Idee, dass es gerade diese Fähigkeit sei, an denen es den Frauen mangele und es sei deshalb schon ganz in Ordnung, dass es so viel mehr männliche als weibliche Führungskräfte gebe.
Das sagt man natürlich eher hinter vorgehaltener Hand. Offiziell gilt: Frauen führen anders.
Aber wonach wird eine Führungskraft letzten Endes beurteilt? Die pragmatische Antwort: nach ihren Ergebnissen für das Unternehmen oder das Projekt, das sie führt.
Also ist die vielleicht hilfreichere Frage die: welche Eigenschaften machen eine Führungskraft erfolgreich?
Normale Unternehmen wollen Umsätze und Gewinne machen, sich am Markt positionieren, wachsen… In unseren schnelllebigen, global verwickelten, gnadenlos wetteifernden Märkten brauchen Unternehmen und Unternehmer besondere Qualitäten – was sie nicht brauchen, ist ego-zentrierte Mittelmäßigkeit von verantwortungslosen Managern oder Persönlichkeiten mit extremer Macht- und persönlicher Profitgier. Dass solche Ego-Art von “Durchsetzungskraft” einiger Manager wirtschaftliche Krisen und Zusammenbrüche hervorbringt, haben uns die vergangenen, noch keineswegs Europa-weit überwundenen Banken- und Wirtschaftskrisen zum wiederholten Male gezeigt.
Machtpositionen sind Verantwortungs- und Vertrauenspositionen. Führungskräften wird von Menschen Vertrauen entgegengebracht, in der Erwartung, das Unternehmen nachhaltig zu führen, die ihnen anvertrauten Unternehmensressourcen richtig zu behandeln und die Unternehmensprodukte oder die Unternehmensdienstleistung optimal zu vermarkten. Und verkauft wird das Produkt an Menschen. Und gemacht wird das Produkt von Menschen für (bezahlende) Menschen.
Worauf bezieht sich also die Kernkompetenz einer Führungsperson? In erster Linie auf den Umgang mit Menschen.
Heute ist man sich in der wissenschaftlichen – auch der neurowissenschaftlichen – Theorie darüber einig, dass eine erfolgreiche Führungskraft in erster Linie gut mit Menschen umgehen können soll.
Es wird postuliert, dass Führungskräfte selbst Vorbild sind, dass sie anspruchsvolle und sinnvolle Ziele im Unternehmensinteresse vorgeben, dass sie ihre Mitarbeiter zu entsprechender Leistungsbereitschaft, Produktivität, Kreativität und Loyalität motivieren und – selbst innovativ-flexibel – die Kreativität und die Stärken der Mitarbeiter fördern und entwickeln.
Die Notwendigkeit, sich immer schneller wirkenden Veränderungsprozessen anzupassen, beantworten viele Unternehmen mit starren Organisationsstrukturen von Zielvorgaben, Arbeitsanweisungen, Qualitätskontrollformen, Mitarbeitergesprächen, Richtlinien und Ablaufplänen, um möglichst von vornherein Fehlerquellen auszuschalten. Diese Rechnung geht aber oft nicht auf, wie mehrere Studien und Sachverständigengutachten zum Thema Mitarbeiterzufriedenheit und -Loyalität gezeigt haben.
Mehr als 60 % der Mitarbeiter der untersuchten Unternehmen sind unzufrieden und unmotiviert. Nicht nur Führungskräfte halten dem Druck nicht mehr stand, Stress, Burnout und Depression nehmen kontinuierlich zu. Weil der “Faktor Mensch” bei all diesen strategischen Maßnahmen auf der Strecke bleibt. Immer wieder zeigt sich: Funktionierende Führung, erfolgreiche Führung, bedeutet in erster Linie: die Anwendung von schlüsselkompetenzen im Umgang mit Menschen.
Wie man das am besten macht, auch damit hat sich die Gehirnforschung in jüngerer Vergangenheit beschäftigt und aktuelle Antworten gefunden. Wenn man Mitarbeiter motivieren will, dann ist es nützlich zu wissen, dass unser menschliches Gehirn unter vielen anderen Aspekten über vier wichtige Systeme verfügt: das Belohnungssystem, das Emotionssystem, das Erinnerungssystem und schließlich das Entscheidungssystem. Diese vier Systeme sind maßgeblich dafür verantwortlich, ob und in welchem Umfang Führung und Motivation von Mitarbeitern gelingt.
Und übrigens auch, wie die jüngsten Erkenntnisse im Bereich des Neuromarketings zeigen, sind sie richtungsweisend dafür, wie man potentielle Kunden motiviert, das Unternehmensangebot zu erwerben. Es sind diese vier Systeme im menschlichen Gehirn, die Menschen dazu bewegen, “mitzuspielen” oder eben nicht.
Daher stellt sich also für Führungskräfte die Frage, wie, mit welchem Verhalten und mit welchen Maßnahmen, man die vier genannten neuronalen Systeme von Mitarbeitern so aktiviert, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt.
Unstreitige Voraussetzung dafür ist, dass die Führungsperson selbst Vorbild sein muss, damit sie für den Mitarbeiter glaubwürdig ist und dass die Führungskraft die Einzigartigkeit jeden Gehirns – seines eigenen und das der Mitarbeiter – anerkennt.
Die Vorbildfunktion ist für die menschliche Lernbereitschaft das stärkste Instrument. Lernen am Vorbild hat uns unsere ersten grundsätzlichen Fähigkeiten wie Sprache, soziales Verhalten und persönliche Werte schon in frühester Kindheit gelehrt und das bleibt auch bei Erwachsenen so.
Das Belohnungssystem wird, sehr vereinfacht auf den Punkt gebracht, durch eine erhöhte Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin bewegt. Dopamin ist ein “Glückserwartungshormon”, das dafür sorgt, dass sich eine Bemühung als lohnenswert erfahren lässt. Es erzeugt Leistungslust. Solange das angestrebte Ziel noch verfolgt wird, also auf dem Weg zum Ziel, wird Dopamin, eine Art körpereigene Wohlfühldroge, ausgeschüttet. Ist das Ziel erst erreicht, verringert sich die Dopaminausschüttung.
Dann wird statt dessen Serotonin, ein Neurotransmitter, der Gefühle von Beruhigung und Zufriedenheit erzeugt, wirksam.
Herkömmlicherweise werden in Unternehmen zur Belohnung von Mitarbeitern Geschenke, Prämien oder Zusatzeinkünfte am Jahresende eingesetzt. Diese Maßnahmen aktivieren aber das Belohnungssystem, die Dopaminausschüttung der Mitarbeiter nicht kontinuierlich. Sie erzeugen stattdessen einen Gewöhnungseffekt, eine “Sucht nach mehr”. Nach mehr absehbarer Gratifikation als Selbstverständlichkeit. Erfolgen Anerkennung, Wertschätzung und Belohnung dagegen unerwartet und situativ, so tritt der Gewöhnungs- und Abnutzungseffekt im Gehirn nicht ein.
Eine freundliche, echte Anerkennung, ein sympathisches Lächeln, aufrichtig gegebene Aufmerksamkeit und Werschätzung aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn ebenso wie kleine, angenehme und zeitnahe Überraschungen als Dankeschön für besondere Leistungen.
Das Emotionssystem im Gehirn ist die Bewertungszentrale für eingehende neuronale Reize.
Aus der Sicht der Gehirnforschung sind Emotionen wie Freude,Trauer, Wut oder Angst ganz unromantisch “chemische Prozesse” im limbischen Gehirn. Der “Bewerter” eingehender Reize in diesem Hirnareal ist die “Amygdala”, der sogenannte Mandelkern, der entscheidet, ob ein Gefühl als angenehm oder unangenehm erlebt wird. Dies geschieht unbewusst und rasend schnell, viel schneller, als die erst später einsetzende bewusste Verstandesbewertung, die im Neokortex, im linken Stirnbereich des Großhirns, erfolgt.
Wir fühlen schon, ob etwas gut für uns ist, längst bevor unser Verstand zum Zuge kommt.
Deshalb ist es wenig wirksam, von Mitarbeitern ein auf rationalen, verstandesmäßigen Argumenten beruhendes Verhalten einzufordern, das emotional auf Widerstand stößt. Eine Weile lang kann das scheinbar gutgehen, auf Dauer aber verweigert der gefühlsmäßig übergangene Mitarbeiter die Kooperation und Loyalität. Die “innere Kündigung” ist die konsequente Folge eines Gefühls von Hilflosigkeit gegenüber einer Führungspersönlichkeit, die als unsozial, Empathie-arm, unfair oder Werte-verachtend empfunden wird.
Bei aller Durchsetzungsstärke – die Chemie stimmt dann eben nicht. Rachegefühle und Sabotage von Mitarbeitern sind nicht selten die Konsequenz. Herrscht in einem Unternehmen gar ein Klima von Misstrauen und dauerhaftem Druck vor, so wird im Mitarbeiter-Gehirn vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, das Angstgefühle erzeugt. Dauerstress schließlich verursacht nach der „inneren Kündigung“ oft den krankhaften Zustand, den wir als „Burnout“ bezeichnen. Wodurch bekanntermaßen wachsend hohe Betriebsverluste entstehen.
Umgekehrt aber, wenn die Führungsperson sich ehrlich interessiert, anerkennend und wertschätzend gegenüber dem Mitarbeiter verhält, wird der chemische Motivationsmix aus Dopamin, dem Bindungshormon Oxytocin und körpereigenen Opioiden für hochmotivierte Mitarbeitergehirne im Unternehmen sorgen.
Nichts stimuliert Menschen so sehr wie das Bedürfnis, von anderen gesehen zu werden, die Erfahrung von positiver Zuwendung und Wertschätzung. Anders ausgedrückt: unser Gehirn, das in diesem Kontext primär für das Unternehmen ticken soll, ist ein soziales Organ. Führen Leitungspersönlichkeiten unter Berücksichtigung dieser urmenschlichen Grundbedürfnisse ihre Mitarbeiter, führen sie sozial kompetent, klar und aufrichtig, dann motivieren sie zu leistungsstarker, nicht selten innovativer und für das Unternehmen lukrativer Mitarbeit. So entsteht Kooperation.
FLM Hamburg