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Liebe und Weihnachtskitsch

der Versuch einer Annäherung an den Kern der Sache, die wir Liebe nennen
Weihnachten, das Fest der Liebe und deshalb der Geschenke. Nur, dass viele Leute schon ganz vergessen haben, warum wir eigentlich diese Weihnachtsschenkerei betreiben und deshalb alljährlich in der letzten Woche vor Weihnachten in unglaublichen Stress verfallen.
„Ich muss unbedingt noch Weihnachtsgeschenke kaufen, tut mir Leid, ich habe einfach keine Zeit für dich…!“
Wie war das noch einmal: Weihnachten ist das Fest der Liebe? Naja, bestenfalls der „Besinnung“. „Besinnliche Weihnachten wünsche ich Ihnen!“ Besinnung worauf? Auf ein reichhaltiges Essen auf einem schön gestalteten Weihnachtstisch. Auf Geschenke unter einem schön geschmückten Weihnachtsbaum (hoffentlich gefällt es dir, wenn nicht, kannst du es ja tauschen gehen). Bestenfalls auf ein friedliches Familienmiteinander, wenn es nicht wieder einmal in Streit und Missstimmung mit den pubertierenden Kindern ausartet.
Herrgott, was hat Weihnachten noch einmal mit Liebe zu tun? Warum schenken wir uns gegenseitig etwas? Ach ja, da ist diese kindliche alte Geschichte mit Maria und Josef und dem Kind in der Krippe und dieses Christkind sollte Gottes Liebes-Geschenk an die Menschheit sein. Wieso das denn eigentlich? Was haben wir denn damit zu tun, dass da vor rund zweitausend Jahren in Israel dieses Kind geboren wurde, ein Flüchtlingskind, von denen es heute weltweit Millionen gibt, Menschen auf der Flucht. Ach ja, und da gab es doch auch noch diese drei Figuren, drei angeblich heilige Könige, die dem Flüchtlingskind Jesus von Nazareth in der Krippe im Stall Geschenke brachten. Na prima, da haben wir ja den Zusammenhang mit den Geschenken wenigstens wieder gefunden.
Aber Liebe, was hat das alles mit Liebe zu tun? Liebe ist eh so ein ausgelutschtes und abgenutztes Wort. Man sagt, ich liebe dich und meint, es ist schön mit Dir Sex zu haben. Oder man sagt, ich liebe dich und fragt sich, was kriege ich dafür? Man sagt, ich liebe dich und du machst mich glücklich , aber wehe, wenn du damit aufhörst! Wehe, wenn du mich nicht mehr befriedigst.
In den Liebesschlagern und -schnulzen erfahren wir, dass Liebe bedeutet: du gehörst mir und nur mir allein! Und wenn du mich verlässt, dann hast du mich nie richtig geliebt.
Die Klischees von Liebe sind so abgenutzt wie ausgekauter Kaugummi, den wir in der U-bahn unter den Sitz geklebt finden. Kann man es da überhaupt noch wagen, sich öffentlich Gedanken über Liebe zu machen? Ja, kann man.
Also wage ich einen neuen Anlauf. Oder streiche noch einmal ein bisschen wie die Katze um den heißen Brei, bis ich frage:Was ist das, Liebe? Wie Sterne vom Himmel fallen mir Wörter ein: Liebe ist Freundlichkeit, Güte, Fürsorge, Freundschaft, Herzlichkeit, Nähe, Teilnahme, Mitgefühl, miteinander lachen, Herzensfreude, Geben und Annehmen, Dankbarkeit, Hingabe. Liebe drückt sich aus in partnerschaftlicher Liebe, in Elternliebe, in Freundschaft, in Menschenliebe. Liebe ist das, was an Wert am Ende bleibt, wenn alles andere verloren gegangen ist, Liebe zum Leben.
Kurz vor ihrem Tod fragte ich meine Mutter, was das Wichtigste in Ihrem Leben gewesen sei und ihre Antwort kam klar und ohne jedes Zögern: meine Kinder. Mutterliebe oder Elternliebe ist – vielleicht – die unter Menschen „bedingungsloseste“ Liebe, die wir uns vorstellen können. Und vielleicht kommt daher dieses christliche Symbol, dieses Bild von einem liebenden Gott-Vater, der aus Liebe zu seinen Menschen-Kindern den Menschen einen besonders liebevollen, gütigen, aufopferungsvollen, glaubenden Sohn und Bruder, Jesus Christus, geboren werden lässt. Einen Gottes-Sohn-Menschen allen Menschen-Kindern zum Vorbild. Zum Vorbild in Sachen Liebe. Denn die wichtigste und zentrale Botschaft dieses unseres Bruders war und ist: liebe!
Liebe deinen Nächsten, deinen Mitmenschen wie dich selbst. Nur wenn du dich selbst auch lieben kannst, kannst du andere Mitmenschen lieben. Wenn du dich selbst ablehnst, kannst weder Liebe annehmen noch geben. Wer sich selbst nicht für liebenswert hält, wetteifert durch sich verstetigenden Ehrgeiz darum, von anderen für seine Leistungen anerkannt zu werden. Nicht dafür, dass ich da bin, nicht, weil ich ein Mensch, ein „Gotteskind“, ein einzigartiges Selbst bin, so glauben viele, sind wir liebenswert. Nein,wir sind nur dann liebenswert, wenn wir durch Leistung und schönes Aussehen glänzen.
Nur wenn wir schlank und schön und leistungsstark sind, glauben wir liebenswert zu sein. Und das wird uns so auch immerzu gespiegelt. Das Äußere, das Aussehen, die Farben und Formen, das materielle Erscheinungsbild ist scheinbar das Anerkennenswerte. Das was – möglichst positive – Aufmerksamkeit erregt scheint das Liebens- und Erstrebenswerte zu sein.
Und wenn unsere Welt noch und noch mehr der Ideologie der Vermarktung aller Werte verfällt, nein, das alles erzeugt keine Liebe. Liebe ist nicht Sex, aber über Sex können wir Liebe ausdrücken. Geschenke schenken ist nicht Liebe, aber mit Geschenken können wir Liebe ausdrücken.
Über Liebe zu diskutieren hilft nicht Liebe entstehen zu lassen, aber mit Gefühl meinem Gegenüber zu zu hören und hin zu fühlen, wie es ihm oder ihr gerade geht und was sie freut und was sie oder ihn bekümmert, ohne gleich eine Bewertung oder einen Lösungsvorschlag parat zu haben, das ist Liebe. Und wenn ich ihr oder ihm unerwartet auf der Straße begegne und mein Herz hüpft vor Freude, das ist Liebe. Oder wenn ich mein wütend tobendes Kind einfach in die Arme nehme anstatt es rational zu belehren, was sich gehört und was nicht, das ist Liebe.
Oder wenn ich auch dem dritten und vierten Straßenbettler und Obdachlosen mit einem Blick ins Gesicht, mit menschlicher Achtung ein verkraftbares Kleingeld gebe oder wenn ich selbst kein Kleingeld mehr habe, ihn mit Achtung vor seiner menschlichen Würde grüße, das ist Liebe. Oder wenn mir jemand von Kummer, Krankheit oder Sorge berichtet, mitfühlend zu zu hören, das ist Liebe.
Oder wenn ich Geld an Ärzte ohne Grenzen oder Brot für die Welt oder eine andere Hilfsorganisation spende und das mit Mitgefühl, nicht als Freikaufgeschäft tue, dann ist das ein Akt der Liebe. Fantasie, Kreativität, Schaffenskraft für die eigene und die Freude meiner Mitmenschen einzusetzen – etwas was nur ein Mensch, aber kein noch so erfindungsreicher Hochleistungscomputer kann – ist Liebe. „To fall in love“ bedeutet da hinein zu fallen, was Menschsein ausmacht und was unser Leben lebenswert macht. Ohne Liebe ist alles Nichts. Und deshalb feiere ich auch dieses Jahr wieder gerne Weihnachten.
FLM 18.12.2017